Erzieherin - Kind - Wichtel Akademie München

Mein Kind kratzt und beißt mich

Über den Umgang in herausfordernden Situationen – was kann ich tun, wenn mein Kind kratzt und beißt?

Wieso zeigt ein Kind aggressives Verhalten, wie beispielsweise kratzen und beißen? Und was kann man dagegen tun? Gerade wurde noch gekuschelt und das Köpfchen hat sich in die Kuhle zwischen Hals und Kopf der Mama gegraben. Ein wundervoller inniger Moment – doch auf einmal ist es vorbei. Zack, ein Kratzer am Hals. Au – ein Biss am Handgelenk. Was ist in den kleinen Racker gefahren? Warum beißen Kinder auf einmal? Und dann auch noch ihre eigenen Eltern? Zunächst einmal die beruhigende Nachricht, in der sich Fachleute wie Psychologen, Soziologen und Pädagogen einig sind: Kratzen und Beißen ist bei Kleinkindern nie böse gemeint. Und dient auch nie dazu, die Mutter, den Vater oder die Erzieherin zu verletzen.

Um die Hintergründe für aggressive Verhaltensweisen bei Kindern zu verstehen, ist es wichtig Folgendes zu wissen: Die Entwicklung von Empathie fängt bei Kindern erst ab ca. 18 Monaten an. Hier beginnt es damit, zwischen sich selbst und anderen zu differenzieren. Doch auch, wenn das Kind damit beginnt, sich selbst als eigenständige Person wahrzunehmen, fehlt ihm immer noch die Unterscheidung zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung. Das ist auch der Grund warum ein Kind zum Beispiel das Weinen anfängt, sobald es ein anderes Kind weinen sieht. Oder warum ein Kind sein Lieblingsspielzeug einem anderen Kind gibt, um ihm eine Freude zu machen – weil es davon ausgeht „was mich glücklich macht, macht auch andere glücklich“. Erst mit circa 36 Monaten fängt ein Kind damit an, sich in andere hinein versetzen zu können. Das macht klar, warum Kinder unter 36 Monaten nicht in der Lage sind, die Folgen ihres Verhaltens vorherzusehen – ihnen fehlen schlichtweg die kognitiven Fähigkeiten dazu. Ab einem Alter von vier bis fünf Jahren entfalten sie die Fähigkeit zur Empathie oder können aktiv die Perspektive wechseln. Bei Siebenjährigen ist dieses Entwicklungsfenster ungefähr abgeschossen. Wenn Kleinkinder kratzen oder beißen ist es oftmals ein Ausdrucksmittel, das gerade die Kinder, die sprachlich noch eingeschränkt sind, nutzen.

Erziehungsratgeber und pädagogische Fachliteratur zählen zahlreiche Gründe dafür auf, warum Kinder kratzen oder beißen. Sehr oft ist es ein Zeichen der Frustration, die dann in dieser Form der Aggression resultiert.

Wenn das Kind kratzt oder beißt hilft also ein Check:

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  1. Ahmt das Kind das Verhalten anderer nach? Was passiert auf der Straße, im Fernseher, zuhause oder was machen die Geschwisterkinder?
  2. Welche Bedürfnisse hat das Kind gerade? Kann es noch nicht sprechen und mitteilen, dass etwas gegen seinen Willen läuft und das wurde bislang nicht erkannt? Ist das Kratzen ein Ausdrucksmittel?
  3. Will es seine Kräfte ausprobieren? Testen, wo Grenzen anfangen und lernen, wie weit es gehen kann?
  4. Ist es unterfordert? Überfordert? Erfolgt der neue Impuls zu selten oder zu oft? Prasseln viele neue Informationen auf das Kind ein? Könnte Müdigkeit der Auslöser sein? Ist es kraftlos und erschöpft, kann es sich nicht selbst regulieren.
  5. Ist das Kratzen in dem Fall eine Möglichkeit der Selbstwirksamkeit – was bedeutet, wenn es kratzt erfolgt eine Reaktion (ein Schrei, Aufmerksamkeit oder ein lustiges Erstaunen der Erwachsenen). Dadurch lernt das Kind, dass es mit kratzen oder beißen etwas bewirken kann und freut sich darüber, was bewirkt, dass es wieder kratzt oder beißt.
  6. Ist es enttäuscht von sich, weil es etwas nicht geschafft hat? Und kann mit dieser Enttäuschung nicht umgehen? Ist es also frustriert?

Und warum passiert das zuhause viel häufiger als in der Kita? Warum beißt das Kind die Erzieherin nicht? Warum eher die Eltern?

In der Kita ist Zähneputzen kein Problem, daheim schon? Oft hilft es zu ritualisieren oder ein Spiel daraus zu machen. Singen Sie zum Beispiel das gleiche Zahnputzlied, wie in der Kita. In gewissen Entwicklungsphasen hilft es auch den jeweiligen Vorgang in eine Geschichte einzubinden. Außerdem wollen Kinder immer mehr Entscheidungen selber treffen. Zwar steht nicht zur Diskussion, ob die eine Strumpfhose angezogen wird, aber das Kind könnte sich die Farbe aussuchen. Beim Getränk darf es dann beispielsweise zwischen Tee oder Wasser wählen. Kinder entwickeln einen gewissen Stolz, wenn sie die Entscheidungen treffen dürfen. So unterstützen die Eltern die Selbstwirksamkeit der Kinder.

Eine klare deutliche Ansage hilft dem Kind den Ernst der Lage zu verstehen. Wenn bislang gelacht wurde, wenn das Kleinkind versucht in den Finger zu beißen und auf einmal sind die Muskel stärker und was bislang Spaß war, ist auf einmal verboten, leuchtet das den wenigsten Kindern ein. Egal in welchem Alter, sollte die Ansage immer klar sein und immer deutlich. Zum Beispiel „Nicht in den Finger beißen.“ Dabei immer im Blickkontakt mit dem Kind stehen. Wiederholt das Kind sein Verhalten, hält die Mutter oder der Vater das Händchen des Kindes ruhig fest und wiederholt seine Aussage ruhig, klar und eindeutig. „Nicht in den Finger. Das tut weh. Du kannst ins Brot beißen oder in den Beißring.“ Damit führen die Eltern das Kind zum Mitgefühl hin. Die Ansage sollte genauso eindeutig sein, als stünden die Eltern mit dem Kind an der roten Ampel.

Warum Kinder manchmal kratzen und beißen

Manchmal staut sich Wut auf, weil etwas nicht gelingt. Irgendetwas ist ihm zu viel und durch Kratzen oder Beißen drückt das Kind sein „nein“ aus. Eltern begleiten es dabei, wenn es seine Emotionen kanalisiert und gestehen dem Kind seine Emotionen zu. „Jetzt bist Du wütend. Und auch ein wenig traurig? Jetzt darfst Du auch wütend sein. Das verstehe ich sehr gut.“ Je älter Kinder werden, desto größer wird der Wunsch, sich von den Eltern abzugrenzen. Dieses Verlangen ist gegenüber den Erziehern nicht so ausgeprägt. Hinzu kommt, dass sich das Verhalten der Eltern und der Erzieher den Kindern gegenüber unterscheidet. Und es bleibt wichtig für die Eltern, Situationen auszuhalten. Das Kind darf weinen, enttäuscht sein, Verlust erleben. Dann wird es auch immer leichter damit umgehen können, dies ein wichtiger Lernprozess. Und kurz darauf braucht es keine Abwendung, sondern möchte wieder kuscheln. Da, wo es so gemütlich ist. Am liebsten auf dem Arm.

5 Tipps, für Eltern, wenn Kinder kratzen oder beißen

  • 1) Zeige eine klare Reaktion auf das aggressive Verhalten des Kindes. Der bestmögliche Zeitpunkt dafür ist direkt in der entsprechenden Situation oder unmittelbar danach. Und der bestmögliche Weg dafür ist es, dem Kind mit ganz viel Ruhe aufzuzeigen, dass seine Reaktion nicht angemessen war und ihm bewusst zu machen, welche Auswirklungen sein Verhalten auf sein Gegenüber hat.
  • 2) Zeige dem Kind alternative Handlungsweisen auf und gib ihm konkrete Tipps für solche Stresssituationen mit an die Hand, z.B. dass es bei Wut/einem schlechten Gefühl im Bauch ganz fest mit dem Fuß auf dem Boden aufstampfen soll, anstatt zu kratzen oder zu beißen
  • 3) Lebe dem Kind ein positives Konfliktverhalten vor und gehe als gutes Beispiel voran. Kinder lernen ganz viel durch Beobachtung und natürlich auch dadurch, wie andere sich ihnen gegenüber verhalten.
  • 4) Gönne dem Kind Ruhe. Und das gilt nicht nur für Situationen, in denen es aggressives Verhalten gezeigt hat. Baue dem Kind gezielte Auszeiten und Entspannungseinheiten in den Alltag ein. Diese helfen sich selber besser wahrzunehmen, was eine Grundlage dafür bildet, mit sich und seinen Gefühlen besser umgehen zu können.
  • 5) Hilf deinem Kind seine Wünsche und Bedürfnisse zu formulieren. Das gilt für akute „Stresssituationen“ genauso wie für den ganz normalen Alltag. Übe mit dem Kind seine eigenen Wünsche und Bedürfnisse wahrzunehmen und zu formulieren. Beispielsweise mit Hilfe einer Gefühlsampel oder durch aktives Zuhören.