Situationsansatz in der Kita

Der Situationsansatz (situationsorientierter Ansatz) ist ein pädagogisches Konzept, das die realen Lebenssituationen und Interessen der Kinder in den Mittelpunkt stellt. Anstatt einem starren Lehrplan zu folgen, knüpft die Bildungsarbeit spontan an aktuelle Erlebnisse, Fragen oder Bedürfnisse der Kinder an. Die Idee dahinter: Kinder lernen am besten aus Situationen, die sie selbst betreffen und emotional berühren. Beispielsweise kann ein Gewitter, das die Kinder erlebt haben, zum Anlass werden, gemeinsam über Wetter und Gefühle (Angst, Staunen) zu sprechen. Oder ein Kind bekommt ein Geschwisterchen – und die ganze Gruppe thematisiert „Baby und Familie“. Der Situationsansatz fördert so Partizipation und Selbstwirksamkeit: Die Kinder erleben, dass ihre Themen ernst genommen werden, und sie gestalten aktiv mit.

In der Kita-Praxis bedeutet das, dass Erzieher:innen sehr aufmerksam zuhören und beobachten, was die Kinder beschäftigt. Daraus entwickeln sie Projekte und Aktivitäten, die zur Lebenswelt der Kinder passen. Wichtig sind auch Alltagskompetenzen: Die Kinder werden in alltägliche Handlungen einbezogen (z.B. Tischdecken, Gartenpflege), um praktische Fähigkeiten zu erlernen und Verantwortung zu übernehmen. Feste Rituale gibt es zwar auch im Situationsansatz (für Struktur und Sicherheit), doch die inhaltliche Ausgestaltung bleibt flexibel. Das pädagogische Team reagiert offen auf Unerwartetes – wenn es zum Beispiel über Nacht geschneit hat, verlegt man das Programm nach draußen zum Schneemannbauen. Der Situationsansatz verlangt von Fachkräften ein hohes Maß an Reflexion und Planung, denn sie analysieren regelmäßig die „Schlüsselsituationen“ der Kinder und überlegen, wie sie daraus sinnvolle Lernerfahrungen machen können.
 

Praktische Beispiele des Situationsansatzes im Kita-Alltag:

  • Projekt aus Kinderinteresse: Mehrere Kinder spielen täglich „Einkaufen“. Die Erzieher:innen greifen dies auf und gestalten gemeinsam mit den Kindern einen kleinen „Marktstand“ im Gruppenraum. Die Kinder bringen leere Verpackungen mit, basteln Geld und Schilder – so lernen sie nebenbei etwas über Lebensmittel, Zahlen und Rollenverteilung.
  • Aktuelles Ereignis: Nach einem lauten Gewitter am Vortag malen die Kinder im Morgenkreis Blitz und Donner und erzählen, wie es ihnen dabei ging. Die Fachkraft erklärt kindgerecht, wie ein Gewitter entsteht, und nimmt Ängste ernst – so wird ein echtes Erlebnis pädagogisch aufgearbeitet.
  • Kulturelle Vielfalt nutzen: Ein Kind feiert zu Hause ein traditionelles Fest, das den anderen unbekannt ist. Die Kita lädt die Eltern ein, davon zu berichten oder etwas Typisches mitzubringen (z.B. Spezialitäten, Musik). Dadurch erfahren alle etwas über andere Kulturen und fühlen sich wertgeschätzt.
  • Alltag einbeziehen: Die Kinder helfen beim Zubereiten des Frühstücks. Anstatt fertiges Obst zu servieren, dürfen sie Obst selbst klein schneiden, den Tisch decken und hinterher abräumen. So wird eine alltägliche Situation zur Lerngelegenheit für Feinmotorik, Zusammenarbeit und Verantwortungsgefühl.
  • Flexibilität bei Planänderungen: Die Gruppe sollte eigentlich basteln, doch draußen fällt überraschend Schnee. Kurzerhand entscheiden die Erzieher:innen gemeinsam mit den Kindern, nach draußen zu gehen und im Schnee zu spielen.
  • Förderung von Selbstständigkeit und Autonomie: Durch die Einbindung in alltägliche Abläufe, wie das Anziehen, Aufräumen oder die Gartenarbeit, lernen die Kinder, Verantwortung für sich und ihre Umgebung zu übernehmen. Dies stärkt ihr Selbstvertrauen und ihre Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen.
  • Beobachtung und Dokumentation als Grundlage der pädagogischen Arbeit: Erzieher:innen beobachten aufmerksam die Interessen und Bedürfnisse der Kinder, um gezielt Schlüsselsituationen zu erkennen. Diese werden dokumentiert und bilden die Basis für die Planung individueller Bildungsangebote, die auf die Entwicklung jedes Kindes abgestimmt sind.
  • Integration von Kindern mit verschiedenen Hintergründen: Der Situationsansatz berücksichtigt die sozialen und kulturellen Lebenssituationen der Kinder und ihrer Familien. Pädagogische Fachkräfte schaffen eine inklusive Umgebung, in der Vielfalt als Bereicherung gesehen wird und alle Kinder gleichermaßen gefördert werden.
  • Zusammenarbeit mit Eltern und Familien: Die Erzieher:innen pflegen enge Beziehungen zu den Familien, um die Lebenswelt der Kinder besser zu verstehen und gemeinsam an der Entwicklung der Kinder zu arbeiten. Eltern werden als wichtige Partner in der Bildungs- und Erziehungsarbeit eingebunden.
  • Förderung von sozialen Kompetenzen und Solidarität: In Alltagssituationen lernen die Kinder, miteinander zu kommunizieren, Konflikte zu lösen und sich gegenseitig zu unterstützen. Der Situationsansatz legt Wert darauf, dass Kinder Solidarität erleben und entwickeln, um ein respektvolles Miteinander zu fördern.